Mittwoch, 16. Mai 2007

Form vs. Materie

Ich hab gestern in das Buch Physik der Medien von Walter Seitter reingelesen. Scheint ganz interessant zu sein. Für dich umso mehr. So referiert Seitter zunächst, dass bei Aristoteles die Wahrnehmungsorgane als auch die Wahrnehmungsmedien materiell sind, schließlich durch diese auch etwas Materielles aufgenommen wird. Und dann: „Trotzdem findet in der Wahrnehmung eine gewisse Entmaterialisierung statt – für die Aristoteles das wiederum materielle Beispiel des Wachses bzw. Wachsabdrucks bringt: das Wachs nimmt vom Siegelring die Form aber nicht die Materie auf“ (S. 37).

Sonntag, 13. Mai 2007

en-de-kodiert

zu unserer diskussion um das verhältnis zum matrix-code (lesbar oder rauschen?); ich bin da noch auf folgende interpretation von elisabeth bronfen (einer der texte, die hcvh angegeben hatte) gestoßen, die ich in dieser hinsicht für sehr überzeugend halte:

Die für das unzweifelhafte Glücken seiner Anrufung brisante Wendung jedoch setzt in dem Augenblick ein, in dem er die ihn bedrohenden special agents nicht länger als enkodierte männliche Erscheinungen wahrnimmt, sondern dekodiert: Die Umrisse der drei special agents erscheinen plötzlich ausschließlich aus den grünen Chiffren der Matrix zusammengesetzt. Diese Erkenntnis schließt an eine frühere Szene an, als er Cypher einmal an seinem Arbeitsplatz besuchte und zum ersten mal die kryptischen grünen Zeichen des Matrix-Kodes auf seinem Bildschirm gesehen hatte. Damals hatte Cypher ihm gestanden, er hätte sich schon so sehr an diesen Kode gewöhnt, daß er ihn automatisch dechiffriert. Er - der wie Neo am Anfang des Films vor seinem Bildschirm auf der Nebukadnezzar sitzt, und von einem Leben an einem anderen Ort jenseits der Armut und der Sorgen träumt - sieht gar nicht mehr die kodierten Ziffern, sondern automatisch die simulierten Körper, die diese in der Matrix darstellen. Mit einer 180° Drehung kehrt Neo die vom Verräter Cypher vertretene Sehweise des automatischen Entzifferns zu seinen Gunsten um. Mitten in der Matrix gelingt es ihm nämlich, nicht die kodierten Gestalten zu sehen, sondern den sie produzierenden Kode. Weil er aufgrund dieser Peripeteia die Ideologie in ihrer wahren Substanz erkannt hat - als ein symbolisch erzeugtes und von ihm getragenes imaginäres Gebilde - muß er auch nicht länger vor den gefürchteten Wächtern fliehen.


allerdings: ich halte bei weiterem nachdenken einen unterschied für entscheidend, nämlich den zwischen "sehen" und "lesen". cypher kann den maschinencode lesen (und, dabei würde ich bleiben, auch verstehen – also interpretieren), sehen aber kann er die "blonden" und "brünetten" nicht, sie bleiben produkte seiner vorstellung, eben seiner phantasie: er der imagination.

Samstag, 12. Mai 2007

zion ist simulation

ein gedanke kam mir noch zu unserer matrix-debatte. ich hatte mich ja ein bisschen daran gestört, dass mir die unterscheidung zwischen (wüstenhafter) realität und (zuckersüßer) matrix/simuation so eindeutig und ungebrochen schien – der punkt ja auch, an dem sich baudrillard von dem film missverstanden fühlte.

nun ist mir aber klar geworden, dass das doch komplexer angelegt ist – und zwar erst in dem moment, wo im zweiten teil die rolle des auserwählten geklärt wird. der witz ist nämlich der: auch zion, hort und rückzugspunkt des realen, ist nur ein simuliertes. schlicht und einfach deshalb, weil auch diese bastion der realität bereits fünfmal aufgebaut, verteidigt, verloren und zerstört wurde.
die rolle zions besteht nur darin, einen ort zu schaffen, an den diejenigen ausgelagert werden können, die die welt der matrix nicht (ganz) annehmen, diesen "unverbesserlichen" eine leicht kontrollierbare richtung zu geben. dass zion nicht in der matrix liegt, ändert also nichts an seinem virtuellen charakter, seiner künstlichkeit: hyperreal

ein "reales" (also die wüste des realen) im sinne eines "nicht gemachten" aber scheint es in diesem sinne wirklich nicht zu geben.

Mittwoch, 9. Mai 2007

objektsuppe

über folgendes bin ich gerade zufällig gestolpert – freebase, eines dieser projekte zur erfassung und katalogisierung des gesamten wissens der welt in einem semantischen netzwerk, wikipedia für maschinen nennt das diese ganz aufschlussreiche erläuterung:

Es geht hier also weniger um enzyklopisches Wissen das in erster Linie für den menschlichen Leser gedacht ist, sondern vielmehr um eine Sammlung von Listen, Referenzen und Datensätzen - Eine Wikipedia für Maschinen sozusagen. Der Clou an der Sache ist, dass diese Datensammlung nicht lose aneinandergereiht ist, sondern alle Daten miteinander verknüpft werden. Ein Riesen-Schritt in Richtung semantisches Web, der ultimativen Alles-mit-Allem-Verknüpfung von Daten.


nichts bahnbrechend neues, aber ein netter beitrag zur gestrigen diskussion, wie ich finde.

Dienstag, 8. Mai 2007

blitzartig

eines fällt mir gerade noch ein: interessant ist doch eigentlich gerade der begriff der überraschung, der heute mehrfach fiel. überraschen ist ja eben gar nicht an intelligenz oder ähnliches geknüpft, sondern kann sich gerade auch aus der vollkommenen formalisierung ergeben. etwas anderes dagegen kann nur der mensch: überrascht sein!

liegt da nicht der, oder doch zumindest ein hund begraben?

der zettelkasten kann also nicht überraschen, weil er sich plötzlich in völlig neuer weise verhält (d.h.: plötzlich toastbrot auswirft), sondern gerade weil die art seiner formalisierung verknüpfungen sichtbar macht, an die der nutzer/programmierer vielleicht nicht gedacht hat, die er aber (vermittels der programmstruktur) dennoch selbst angelegt hat. was der zettelkasten da auswirft, sind aber ja keine gedanken, sondern nur bezüge, aus denen der nutzer selbst, qua interpretation, gedanken macht.

dumm wie toastbrot also, das erscheint mir ganz unstrittig – und gleiches gilt für den computer.

die kategorie der überraschung aber zeigt für mich einmal mehr, wo die entscheidende grenze liegt, die sich eben nicht formalisieren lässt: im (intuitiven!) überrascht sein.

Freitag, 4. Mai 2007

flaches monster

bin gerade endlich dazu gekommen, bredekamps leviathan-artikel zu lesen. witzig der gestus des materialisten: "physis des vorgeblich immateriellen" (damit hat er sicher recht) – und dann die hübsche ausgesprochen materiale metaphorik: "venen", "riesenschloß", "ruinenlandschaft". seine interpretation des nur vermeintlich immateriellen netzes würde ich teilen – allerdings bleibt die frage, was dann. der leviathan ja also nicht (umschmeicheln, statt überragen).

immer wieder gern in der diskussion ums virtuelle/immaterielle: krieg und sex – hier in treffender verbindung mit der "okulartyrannis": "augenlust" als signum und katastrophe des cyberspace.

Donnerstag, 3. Mai 2007

Simon, Wissenschaft vom Künstlichen

Danke für den Link. Den Artikel kannte ich noch nicht, bin mal gespannt.

Ich hab auch gleich was für dich. Bin beim Lesen auf das Buch "Die Wissenschaften vom Künstlichen" von Herbert A. Simon gestoßen. Wurde als klassisch gewordenes Grundlagenbuch für die künstlichen Welten/ virtual reality bezeichnet. Müsste sich doch auch was über Entmaterialisierung rausziehen lassen?!

Simon findet sich auch bei Winograd/ Florres S. 45f. Du siehst, er hat auch kräftig in der KI mitgemischt. Der klassische Text hierfür: Simon/ Newell, Informationsverarbeitung in Computer und Mensch, in: Zimmerli/ Wolf, Künstliche Intelligenz. Philosophische Probleme, Stuttgart 1994.

… fertig, los!

dann also los, ich bin gespannt, wie sich das entwickelt. wissenschaft 2.0 (oder vielleicht auch schon längst 2.5?) also, flusser wäre begeistert. immerhin sind wir ja nun also endlich teil der telematischen gesellschaft und nutzen unser medium nummer eins nicht mehr diskursiv, sondern wirklich und wahrhaftig dialogisch. auf dass die kommentarfunktion brenne und die netze rauchen!

hier ein erster beitrag von meiner seite, den du vielleicht längst schon gesehen hast: ein artikel auf brand eins, thema schnittstelle.

Dienstag, 1. Mai 2007

Startschuss?

Ich hab einen kleineren bis mittleren Anschlag auf dich vor. Sollte es ein Bombenanschlag sein, dann schaust du bereits auf den Zündmechanismus. Der Sprengstoff folgt.


Wir haben uns doch letztens über das Programm Scrivener unterhalten. Seitdem war ich (mal wieder) auf der Suche nach Alternativen zu diesen linearen WYSIWYG Textverarbeitungsprogrammen. Egal ob von Microsoft oder openoffice – vom Aufbau her sind sie nur Derivate des gleiches Prinzips. Und natürlich bin ich bei meiner Suche (mal wieder) nicht fündig geworden: weder in der Windows-Welt und ich glaube, auch Scrivener ist nicht wirklich das was ich suche. Und Linux, naja: In dieser Community treiben sich wohl eher Ingenieure, Naturwissenschaftler und Programmierer herum – die haben andere Probleme. Warum sollte ich also gerade dort fündig werden?


Was ich suche, ist ein Programm, dass in der Lage ist, meine Assoziationen festzuhalten. Diese auf irgendeinem Weg – sei es grafisch, algorithmisch, etc. – so umzusetzen, dass ich sie auf dem Bildschirm zu einem späteren Zeitpunkt wieder nachvollziehen kann. Ich würde also gern meine Exzerpte, Lektüreeindrücke und Gedanken in einem Netz zu Konzepten, Positionen, etc. zusammenfassen. Gerade in Hinsicht auf die Magisterarbeit bekomme ich diese Idee nicht mehr aus meinem Kopf. Also ab ins Internet und eine Homepage aufbauen? Als Arbeitshilfe und Gedankenkrücke, nur für mich? Vielleicht unter folgenden Motto: Erst ein Netz spannen und es dann im Laufe der Zeit zu einem stringenten Text verknoten und damit zu konzentrieren? Doch bin ich dann nicht nur „der Sklave einer Idee“, wie es Wiesing letztens so schön auf den Punkt gebracht hat?


Heute kam mir dann die zündende Idee! Warum denn eigentlich keinen Blog?! Gehört heute eh zum guten Ton, so ein Ding zu betreiben, scheint ganz komfortabel zu pflegen und außerdem ist man ja nicht allein auf dieser Welt. Ich spinne jetzt mal meine Gedanken weiter: Könnte doch das perfekte (Begleit)Medium für unsere Magisterarbeiten werden. Arbeitsergebnisse, Gedanken, Netzfunde werden festgehalten. Offene Fragen lassen sich fixieren (und, so meine Hoffnung, durch den anderen bei Gelegenheit vielleicht sogar beantworten). Über einen RSS-Feed ist alles flink zu überschauen.


Also was meinst du? Sollten wir dieses „performative Experiment“ starten? Könnte doch für beide Seiten von Nutzen sein, wenn ich mich an unser letzten ertragreiches Gespräch erinnere. Außerdem interessiert mich, was man aus so einen Blog machen kann: Starres Instrument oder flexible Struktur. Bin mal gespannt! ;-)