Sonntag, 13. Mai 2007

en-de-kodiert

zu unserer diskussion um das verhältnis zum matrix-code (lesbar oder rauschen?); ich bin da noch auf folgende interpretation von elisabeth bronfen (einer der texte, die hcvh angegeben hatte) gestoßen, die ich in dieser hinsicht für sehr überzeugend halte:

Die für das unzweifelhafte Glücken seiner Anrufung brisante Wendung jedoch setzt in dem Augenblick ein, in dem er die ihn bedrohenden special agents nicht länger als enkodierte männliche Erscheinungen wahrnimmt, sondern dekodiert: Die Umrisse der drei special agents erscheinen plötzlich ausschließlich aus den grünen Chiffren der Matrix zusammengesetzt. Diese Erkenntnis schließt an eine frühere Szene an, als er Cypher einmal an seinem Arbeitsplatz besuchte und zum ersten mal die kryptischen grünen Zeichen des Matrix-Kodes auf seinem Bildschirm gesehen hatte. Damals hatte Cypher ihm gestanden, er hätte sich schon so sehr an diesen Kode gewöhnt, daß er ihn automatisch dechiffriert. Er - der wie Neo am Anfang des Films vor seinem Bildschirm auf der Nebukadnezzar sitzt, und von einem Leben an einem anderen Ort jenseits der Armut und der Sorgen träumt - sieht gar nicht mehr die kodierten Ziffern, sondern automatisch die simulierten Körper, die diese in der Matrix darstellen. Mit einer 180° Drehung kehrt Neo die vom Verräter Cypher vertretene Sehweise des automatischen Entzifferns zu seinen Gunsten um. Mitten in der Matrix gelingt es ihm nämlich, nicht die kodierten Gestalten zu sehen, sondern den sie produzierenden Kode. Weil er aufgrund dieser Peripeteia die Ideologie in ihrer wahren Substanz erkannt hat - als ein symbolisch erzeugtes und von ihm getragenes imaginäres Gebilde - muß er auch nicht länger vor den gefürchteten Wächtern fliehen.


allerdings: ich halte bei weiterem nachdenken einen unterschied für entscheidend, nämlich den zwischen "sehen" und "lesen". cypher kann den maschinencode lesen (und, dabei würde ich bleiben, auch verstehen – also interpretieren), sehen aber kann er die "blonden" und "brünetten" nicht, sie bleiben produkte seiner vorstellung, eben seiner phantasie: er der imagination.

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