agonie bei hcvh
zum seminar bei hcvh gestern, dem du ja unerlaubt und unerhört ferngeblieben bist. thema war baudrillard - das ganze zog sich, eher zäh, hin bis acht uhr. ich glaube, die meisten haben da ziemlich abgeschaltet. ich für meinen teil muss aber sagen, dass ich hellauf begeistert war. endlich habe ich das gefühl, baudrillards anliegen verstanden zu haben, das ganze simulationsgeschwafel wenigstens grob einordnen zu können.
entscheidendes ergebnis (und das war mir bislang in keiner weise klar): baudrillard betreibt keine erkenntnistheorie. will man baudrillard verstehen, muss man sich bewusst sein, dass seine theorie als eine theorie der zeichenpraxis, mithin semiotisch, zu verstehen ist. d.h.: agonie des realen meint gar nicht, dass man (als subjekt) vor dem fernseher sitzt und die bilder nicht mehr von der realität unterscheiden kann.
vielmehr geht es um eine weise des zeichengebrauchs, die das verhältnis des menschen zur welt bestimmt: das denken in modellen. mit nietzsche kann man sagen, dass menschliche weltzuwendung/-erfassung immer an sprache gebunden ist und also immer konstruktiv. und eben dieses verhältnis legt, so baudrillard, die dritte ordnung der simulakra, die simulation offen, während die (historisch und übrigens klar verortbar) vorhergehenden ordnungen dieses verhältnis prinzipieller künstlichkeit systematisch zu verdecken suchten.
"agonie des realen" ist also nicht das verhängnis des menschen, der plötzlich die wirklichkeit aus den augen verliert ("hilfe, was ist nur mit der wirklichkeit passiert, gestern war sie doch noch da?"), sondern eine zeichenpraxis, die die scheinbar unhintergehbare kategorie des realen dahin führt, wo sie hingehört. ad absurdum nämlich.
so etwa im groben. klingt vielleicht spanisch, scheint mir aber sehr erhellend.
nächste woche noch mal baudrillard, dann gleich zizek (insb. der perversionstext) - in den letzten sitzungen dann kevin kellys "out of control" und erik davis' "techgnosis". beides kommt auf metacoon.